Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e.V.
Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e.V.

Weimarer Erklärung

zur Berücksichtigung kulturhistorisch bedeutsamer Bauwerke und Landschaften in der EU-Wasserrahmenrichtlinie

Die am 23.10.2000 verabschiedete EU-Wasserrahmenrichtlinie [Richtline 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik] ist durch die Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes in bundesdeutsches Recht umgesetzt. Der Mensch, seine Bauwerke und die vom Menschen gestaltete Kulturlandschaft werden nach der Definition der Richtlinie als Belastung angesehen. Ihre Existenz steht der Erreichung eines naturnahen Zustandes der Fließgewässer entgegen.

 

Die Bestandsaufnahme der EU-Wasserrahmenrichtlinie konzentriert sich mit diesem Tenor sehr stark auf die Gewässerökologie und den Naturhaushalt. Zutreffend ist sicher, dass in den vergangenen Jahrzehnten gewässerökologische Aspekte einen zu geringen Stellenwert hatten und bei Planungen, Entscheidungen und Maßnahmenrealisierung zu wenig berücksichtigt worden sind. Die heutige Landschaft ist aber nach vielen Jahrhunderten gezielter Umgestaltung fast überall in Deutschland eine reine Kulturlandschaft, deren unreflektierte Rückentwicklung zur ursprünglichen Natürlichkeit bedeuten würde, Defizite überzukompensieren. Diese Situation wird spätestens bei der Erstellung von Maßnahmenplänen zur Erreichung des naturnahen Zustandes zu Akzeptanzproblemen bei den im Einzugsgebiet der Flüsse lebenden Menschen führen. Die Vorgaben und Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie dürfen nicht so interpretiert werden, dass die ökologischen Anforderungen des Gewässers als alleiniges Ziel angesehen werden. Um dem im Vorfeld zu begegnen, ist es notwendig, neben anderen Aspekten auch die kulturhistorische Dimension dieser wasserbaulichen Maßnahmen in die Maßnahmenpläne einzubeziehen.

 

Ohne diese Einbeziehung besteht die Gefahr, dass historische Wehranlagen, Wiesenbewässerungssysteme, Schleusen und historische Gewässerausbauten, wie z.B. Hochwasserschutzanlagen, als negative Belastungen eingestuft und unreflektiert und unwiederbringlich zu Gunsten einer vermeintlich größeren Natürlichkeit zerstört und beseitigt werden.

 

Mit dem unreflektierten Rückbau von wasserbaulichen Anlagen sind aber auch einige schwer kalkulierbare Risiken verbunden, wenn nicht im Vorfeld eine eingehende Analyse stattfindet. So haben sich die Grundwasserstände entsprechend den angelegten Be- und Entwässerungsgräben bzw. den Mühlgräben eingestellt. Veränderungen können hier zu Vernässungen an Gebäuden und in der Fläche führen. In der Folge wird sich auch die Vegetation verändern. Die Wiedervernässung großer Flächen, die Anlage von Stillgewässern aller Art kann, insbesondere unter Berücksichtigung der Klimaerwärmung, auch zu erneuten gesundheitlichen Problemen führen. Eine Reihe von wasserbaulichen Maßnahmen unserer Vorfahren waren in vielen Gebieten Deutschlands gerade darauf ausgerichtet hygienische Missstände, wie u.a. Fieber und Malaria zu beseitigen. Hier ist das aktuell vorhandene Wissen zu gering, um zukünftige Generationen vor solchen Problemen zu bewahren.

 

Selbstverständlich müssen nicht alle Bauwerke an jeder Stelle erhalten und alle Maßnahmen auf ewig festgeschrieben werden. Aber es ist sinnvoll, auch die kulturhistorischen Leistungen im Gewässerumfeld in die Untersuchungen und Bewertungen mit einzubeziehen. Während herausragende einzelne Bauwerke, wie Schiffshebewerke und historische Schleusen, bereits häufig von Seiten des Denkmalschutzes und lokalen Interessenten geschützt und erhalten werden, auch wenn ihre eigentliche Nutzung entfallen ist, sind die weniger spektakulären Bauwerke und vom Menschen gestaltete Kulturlandschaften einer besonderen Gefahr der unwiederbringlichen Zerstörung ausgesetzt.

 

Um dies zu vermeiden, ist es nötig, die kulturhistorischen Bauwerke zu erfassen und einige typische sowie herausragende Einzelbauwerke und ausgewählte typische Kulturlandschaften zu erhalten. Dort, wo die ursprüngliche Nutzung entfallen ist, wie z. B. bei der Wiesenbewässerung, macht die Erhaltung in der Regel nur Sinn, wenn geeignete Ersatznutzungen gefunden werden können.

 

Zur Förderung der Akzeptanz der Maßnahmenpläne der EU-Wasserrahmenrichtlinie, sowohl im ökologischen, als auch im kulturhistorischen Bereich, ist es nötig, die betroffenen Menschen mit einzubeziehen und auf unterschiedlichen Wegen zu informieren. Dies gilt in vielen Fällen im besonderen Maße für die Landwirte, ohne deren Mitwirkung auch die Maßnahmen in den Maßnahmenplänen nicht realisiert werden können. Denkbare Wege sind Schautafeln, Faltblätter, Vorträge oder das Internet.

 

Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Umwelt und mit der sie umgebenden Kulturlandschaft. Hierzu gehören auch die über Jahrhunderte hinweg entstandenen wasserbaulichen Anlagen. Veränderungen sind mit dem notwendigen Augenmaß für die historische Dimension vorzunehmen und dürfen nicht zu einem Identifikationsverlust führen.

 

Die Weimarer Erklärung der deutschen Wasserhistorischen Gesellschaft wird von einer Vielzahl von Personen aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung unterstützt u.a.

  • Mathias Deutsch M.A., Historiker, FG Geographie der Universität Erfurt
  • Alexander Dürnagel, Bundesministerium fr Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
  • Prof. Dr.-Ing. Mathias Döring, Fachgebiet Wasserbau, Fachhochschule Darmstadt
  • Prof. Dr.-Ing. Henning Fahlbusch, Fachhochschule Lübeck
  • Prof. Dr.-Ing. Matthias Grottker, Labor für Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik, Fachhochschule  Lübeck
  • Prof. Dr.-Ing. Bernhard Haber, Institut für Wasser und Umwelt, Fachhochschule Bochum
  • Prof. Dr.-Ing. Hans-Peter Hack, Lehrstuhl für Wasserbau der Bauhaus-Universität Weimar
  • Dr. Karlheinz Hintermeier, Staatliches Umweltamt Sondershausen
  • Prof. Dipl.-Ing. Albrecht Hoffmann, Marburg
  • Prof. Dr. Gerd Hoffmann, Oldenburg
  • Prof. Dr. Werner Konold, Sprecher des Deutschen Rates für Landespflege, Institut für Landespflege,   Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
  • Dr.-Ing. Dietmar Mälzer, Institut für Wasserwesen, Bauhaus-Universität Weimar
  • Dr. Christoph Ohlig, Wesel
  • Dr. Norman Pohl, Technische Universität Bergakademie Freiberg
  • Dr.-Ing. Klaus Röttcher, Roettcher Ingenieurconsult, Kassel
  • Prof. Dr. Winfried Schenk, Geographisches Institut der Universität Bonn
  • Bauass. Dipl.-Ing. Wolfram Such, Sankt Augustin
  • Helmut Telscher, Thringer Ministerium für Landwirtschaft Naturschutz und Umwelt. Erfurt
  • Prof. Dr.-Ing. Frank Tönsmann, FG Wasserbau und Wasserwirtschaft, Universität Kassel
  • Dipl.-Ing. Hans-Joachim Uhlemann, Berlin-Pankow
  • Dr. Helmut Volk, Forstliche Versuchsanstalt Freiburg
  • Dipl.-Phys. Peter Welke, Geographisches Institut der Universität Bonn
  • Prof. Dr.-Ing. Hartmut Wittenberg, Hydrologie und Wasserwirtschaft, Universität Lüneburg

 

Hier können Sie die “Weimarer Erklärung” herunterladen:

Weimarer Erklärung
Weimarer_Erklarung.pdf
PDF-Dokument [21.2 KB]

Der Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland hat zu der Weimarer Erklärung ein Faltblatt unter dem Titel “EU-Wasserrahmenrichtlinie und Archäologie Umweltschutz und Schutz des kulturellen Erbes” veröffentlicht, das Sie sich hier herunterladen können:

EU-Wasserrahmenrichtlinie und Archäologie Umweltschutz und Schutz des kulturellen Erbes
Wasserrahmenrichtlinie_und_Denkmalpflege[...]
PDF-Dokument [1.9 MB]

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